Wagemutstein Gut Eglsee

Das Thema „Nachhaltige Gesellschaft“ stand im Mittelpunkt der 8. Nachhaltigkeitswerkstatt Gut Eglsee, die von Prof. Dr. Carl Christian Beckmann 2015 ins Leben gerufen wurde. So diskutierten am 30. September 2022 auf Gut Eglsee namhafte Vertreter der niederbayerischen Politik und Wissenschaft mit dem Ehrengast Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland a. D. zu Themen der Verrohung der Gesellschaft, des sozialen Abstiegs und populistischen Umtrieben. Alle sind überein gekommen, dass es nicht nur den „Riß durch die Gesellschaft“, sondern sehr ernst zunehmende Strömungen gibt, die die deutsche und europäische Friedensordnung nachhaltig gefährden.

Neben einer intensiveren Auseinandersetzung und Diskussionsbereitschaft in der Politik, Kultur, Wissenschaft, Kirche und den Vereinen als auch aller sozialer Gruppierungen ist es elementar, an die Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern. Dies ist im Rahmen der 8. Nachhaltigkeitswerkstatt Gut Eglsee besonders gut gelungen. Unsere Verwandte Elisabeth Giesen-Steinbauer, Tochter des Pfarrers Karl Steinbauer, der Mitglied der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit war, erzählte, wie ihre Familie selbst im Pfarrhaus eingeschüchtert und täglich bedroht wurden. Ihr Vater kam ins KZ. Sogar vor einem Mordanschlag an dem Kleinkind Elisabeth scheuten die Nazis nicht zurück.

Auf der Wiese vor dem Herrenhaus auf Gut Eglsee wurde am 30. September 2022 der sog. Wagemutstein errichtet, den der niederländische Künstler Marcel Manche erschaffen hat. Er wird dem mutigen Verwandten Karl Steinbauer gewidmet. Der Stein soll dabei eine „feste Burg“ darstellen – der Riß zwischen dem glatten Stahl und dem rauen Stein symbolisiert den Riß der Gesellschaft in Bayern, Deutschland und Europa.

Karl Steinbauer – Ich glaube, darum rede ich

Die Lebensgeschichte von Pfarrer Karl Steinbauer (1906-1988), evangelischer Theologe und Mitglied der Bekennenden Kirche, war von seiner Herkunft und seines standhaften Glaubens geprägt. Dabei war für ihn vor allem sein Vater Johann, der Theologe, Pfarrer und Rektor des Windsbacher Gymnasiums (Mittelfranken) Vorbild und Mentor.

Nach seinem Studium und Vikariat wird er zunächst Pfarrer in Penzberg, wo er mit seiner Frau Eugenie, Tochter des Ökonomierats Franz Beckh-von Wahler und seiner Frau Martha, geborene Beckmann-Eglsee, eine Familie gründet. Der zunehmende Einfluss der Nationalsozialisten auf die Kirche erwirkt bei ihm, wie bei vielen Menschen, zunächst Sympathien. Schnell durchschaut er die Ideologie der Nazis; sein Glauben steht in diametralem Gegensatz dazu. Er öffnet seinen Gemeindemitgliedern wahrhaft die Augen vor der evangeliums- und menschenfeindlichen Art des Nationalsozialismus. Dabei hilft ihm seine eindringliche Stimme, die zum Zuhören einlädt und anregt.

Sein Wirken bleibt nicht unbemerkt. Mit den Obrigkeiten von Staat und Kirche geht er stets offen kritisch um. So erhebt er nicht nur weiter sein Wort, sondern handelt. Zum Wahlsieg der Nationalsozialisten 1936 verweigert er nicht nur die Beflaggung und das halbstündliche Kirchengeläut, sondern auch seinen Treueeid auf Hitler. Er könne „keine Lügen über die angeblich freie Wahl“ decken. „Lügen könne man nur ohne Gott“. Zunächst erhält er ein Predigtverbot. In diesem Zusammenhang wird er Gründungsmitglied der Pfarrerbruderschaft , später der sog. Bekennenden Kirche, die sich gegen die Gleichschaltung der Kirche verbündet. Er wird nicht müde, immer wieder hohe Instanzen anzuschreiben und auf die Unvereinbarkeit von Glaube, Evangelium und Nationalsozialismus aufmerksam zu machen.