Hans-Jürgen-Wischnewski-Spitze
Hans-Jürgen Wischnewski wurde im ostpreußischen Allenstein am 24. Juli 1922 geboren. Er entstammt einer äußerst protestantischen und preußischen Beamtenfamilie, die sehr früh gegen die Nationalsozialisten Stellung bezog. Er legte 1941 in Berlin sein Abitur ab, nachdem die Familie nach Berlin übersiedelte. Ab 1941 wurde er eingezogen und diente er als Panzergrenadier und wurde mehrfach verwundet. Nach kurzer Gefangenschaft 1945 fand er in den Nachkriegswirren eine neue Heimat in Niederbayern, der er zeitlebens verbunden blieb. In Straubing trat er auch 1946 in die SPD ein.
Nach beruflichen Stationen in der Landmaschinentechnik in Straubing wurde er schnell Gewerkschafter, bald wechselte er als Gewerkschaftssekretär der IG-Metall ins Rheinland. Er war Vorsitzender der Jungsozialisten, Abgeordneter der Europäischen Parlaments und Bundesgeschäftsführer der SPD. Er unternahm jährlich unzählige Reisen nach Amerika und in den Nahen Osten und baute so ein umfassendes persönliches internationales politisches Netzwerk auf.
Von 1957 bis 1990 war er Mitglied des Bundestags und anerkannter Außenpolitiker unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. Von 1966 bis 1968 war er zunächst Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, von 1974 bis 1976 Staatsminister im Auswärtigen Amt und von 1979 bis 1982 Staatsminister im Bundeskanzleramt.
Er erfuhr eine besondere Bekanntheit durch sein politisches Engagement im Zusammenhang mit den RAF-Entführungen und war Sonderbeauftragter für Verhandlungen im Zusammenhang mit den Entführungen der RAF im sog. Deutschen Herbst. Er führte die Verhandlungen mit den Entführern und war zugleich Krisenmanager im Hinblick auf die Beendigung der Entführung des Lufthansaflugzeugs „Landshut“ im somalischen Mogadischu. Er galt als der engste Vertraute von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Durch seine umfangreichen persönlichen Kontakte in die arabische Welt bekam er den Beinamen „Ben Wisch“. Er war ein großer Gestalter von erfolgreichen Friedensverhandlungen in Arabien und Lateinamerika; deswegen erhielt er auch den höchsten palästinensischen Orden von Jassir Arafat.
Hans-Jürgen Wischnewski war zweimal verheiratet und hatte 4 Töchter.
Er starb aufgrund einer Herzerkrankung am 24. Februar 2005 in Köln und wurde in einem Ehrengrab auf dem Friedhof Köln-Melaten bestattet.
Hans-Jürgen-Wischnewski auf Gut Eglsee – neue Heimat in Niederbayern
In den Kriegswirren im Frühjahr 1945 kam er mit einem Kameraden, der von einem kleinen Bauernhof in Straubing stammte, nach Niederbayern. Überall herrschte Hunger. Dort angekommen musste er aber feststellen, dass es aufgrund der vielen Flüchtlingsströme kaum möglich war, sich zu versorgen. Durch seine norddeutschen Wurzeln bekam er von Straubinger Bürgern den Hinweis auf einen möglichen Unterschlupf auf Gut Eglsee – insbesondere weil die Familie Beckmann ursprünglich auch aus Norddeutschland stammte. Zudem war bekannt, dass Elisabeth und Rita Beckmann große Teile der Stadtbevölkerung kostenlos mit Brot und Milch versorgten. Obwohl im Mai 1945 über 300 Menschen auf Gut Eglsee lebten und täglich neue Trecks mit Verwandten, Hilfesuchenden und Verwundeten auf Gut Eglsee eintrafen, entschlossen sich Carl Heinrich und Rita Julie Hanna Beckmann, Wischnewski aufzunehmen. Er lebte den Sommer 1945 und 1946 auf Gut Eglsee, arbeitete auf dem Feld und in der Gutsschmiede mit. Es entstand vor allem eine intensive Freundschaft zwischen Hans-Jürgen und Rita. Da er technisch sehr versiert war, organisierte Carl eine weitere Anstellung beim Landmaschinenhändler Danner an der Persiluhr. Später arbeite er auch noch in einem metallverarbeiteten Betrieb in Straubing; am Wochenende kam Wischnewski weiterhin oft zum „Klönen“ nach Gut Eglsee. Wischnewski besuchte seine niederbayerischen „Retter“ in den folgenden Jahrzehnten oft auf Gut Eglsee. Selbst als Staatsminister im Auswärtigen Amt kam er nach Gut Eglsee, wenn er in Bayern zu tun hatte. Es gab jedes Mal einen kleinen Tumult auf dem Gut, wenn er mit Staatskarosse, Standarte und Autokolonne auf den Hof fuhr. Einen letzten Kontakt gab es anlässlich der Beerdigung von Carl Heinrich Beckmann im Jahr 1991.
Für unsere Vorfahren war Hans-Jürgen Wischnewski immer ein tatkräftiger Versöhner – viele Menschen und Politiker sollten sich heute ein Vorbild an ihm nehmen.
Willy Brandt formulierte es treffsicher: „Hans-Jürgen Wischnewski gehört zu den Menschen, die in erster Linie dadurch wirken, dass sie handeln.“
Auf Gut Eglsee wurde im Rahmen der 10. Nachhaltigkeitswerkstatt 2024 eine Skulptur eingeweiht, die von dem niederländischen Künstler Marcel Manche, der im Bayerischen Wald lebt und arbeitet, gestaltet wurde. Der ehemalige Markierungspfahl wurde dabei farblich gefasst. Die Skulptur soll dem Betrachter Weg und Orientierung geben, so wie es auch Hans-Jürgen Wischnewski getan hat.
Quellen:
Haus der Geschichte Bonn
Das Bundesarchiv
Deutsches Historisches Museum
Friedrich Ebert Stiftung
Portal Rheinische Geschichte
Archiv der sozialen Demokratie
SPD Straubing
Hausarchiv Gut Eglsee
Zeitzeugen Carl Heinrich Beckmann (Carl III., 1909-1991), Rita Julie Hanna Beckmann (1913-2000) und Alfons Bosl (1927-2017)
Frankfurter Allgemeine Zeitung 2005
Norddeutscher Rundfunk 2005
Bayerischer Rundfunk 2000